MÜNCHEN – LEUCHTENDE KUNSTMETROPOLE (1870–1918)

28/01/2015 bis 06/04/2015
Ausstellungssaal Masné krámy
Autor: 
Roman Musil, Aleš Filip
Kurátor: 
Ivana Jonáková

Die Ausstellung ist eines der Hauptprojekte von „Pilsen – Kulturhauptstadt Europas 2015“.

In der Ausstellung sind Künstler vertreten, die zur berühmten Münchner Malerschule, zum Münchner Jugendstil und zur Avantgarde-Bewegung der Gruppe „Der Blaue Reiter“ gehören. Unter ihnen befinden sich Persönlichkeiten wie Karl Theodor von Piloty, Gabriel von Max, Franz von Lenbach, Wilhelm Leibl, Franz von Stuck, Wassily Kandinsky, Alexej von Jawlensky oder Paul Klee. Die Ausstellung präsentiert auch die Werke der in München wirkenden tschechischen Künstler dieser Zeit -  Václav Brožík, Alfons Mucha, Joža Uprka, Jakub Schikaneder, Emanuel Krescenc Liška, Ludvík Kuba, Jan Autengruber und andere.

„Die Konzentration so vieler wertvollen bildkünstlerischen Werke der wichtigsten tschechischen und ausländischen Künstler der berühmten Ära der Münchner Schule, die aus einigen Ländern Europas ausgeliehen wurden, ist ein einzigartiges Beispiel der Erforschung des gemeinsamen europäischen Kulturraums und der Verwirklichung des Gedankens der Europäischen Kulturstadt. Darüber hinaus veranschaulicht die Ausstellung ausführlich das schöpferische Zusammenleben der internationalen Künstler-, Boheme- und Denkergemeinschaft des 19. Jahrhunderts, aber auch die gegenwärtige ausgezeichnet funktionierende deutsch-tschechische grenzüberschreitende Zusammenarbeit. Die Ausstellung zeigt, dass wir auf sehr starken Fundamenten bauen können, und sie bestätigt die Gültigkeit des Mottos von Pilsen, der Kulturhauptstadt Europas, das zur Offenheit und zum Dialog auffordert. Gerade deswegen ist Pilsen im Jahre 2015 die leuchtende Kunstmetropole, damit sie die Aufmerksamkeit auf diese Werte zieht. “Ich glaube, dass ihr das, auch dank solcher Projekte wie der Ausstellung „München – leuchtende Kunstmetropole“, gelingen wird“, äußerte sich Jiří Sulženko, der Programmdirektor von Pilsen 2015.

Der Ausdruck „leuchtende Kunstmetropole“ in der Bezeichnung der Ausstellung ist der bekannten Novelle Gladius Dei von Thomas Mann aus dem Jahre 1902 entlehnt. München errang in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts den Ruf eines der wichtigsten europäischen Kunstzentren, nachdem insbesondere die Malerei der Münchner Schule zu einem international anerkannten und geschätzten Phänomen geworden war. Die Stadt wurde von jungen Künstlern aus aller Welt aufgesucht, unter denen auch die böhmische Kommunität ihre starke Vertretung hatte. Künstler aus den böhmischen Kronländern erhielten ihre Bildung entweder an der Kunstakademie oder an privaten Kunstschulen. München stellte für sie eine Alternative oder nur Vorstufe zur Ausbildung in Paris dar, doch im Rahmen Mitteleuropas stellte es weitere Kunstzentren wie etwa Prag, Wien, Berlin und andere in den Schatten. Nach Anbruch der Sezession in den 90er Jahren des 19. Jahrhunderts erfuhr das spezifische Konzept der Münchner Schule seine Transformation zu einem pluralistischen Spektrum künstlerischer Tendenzen. Diese wurden dann zum Nährboden für den Antritt der Modernisten und Avantgardisten in den ersten beiden Dezennien des 20. Jahrhunderts. Auf bildende Künstler aus Böhmen, Mähren und Schlesien übte München im Ausklang des „langen 19. Jahrhunderts“ während des I. Weltkriegs eine außerordentliche Anziehungskraft aus. Die Kunst erfreute sich hier einer Vorrangstellung, denn schon zu Zeiten von König Ludwig I. war sie zu einem wichtigen Faktor bei der Repräsentation Bayerns aufgestiegen und die Künstler, unter denen so mancher vom Königreich Bayern in den Adelsstand erhoben worden war, erfreuten sich einer außergewöhnlichen gesellschaftlichen Hochschätzung. Manche Gemälde fanden beim Publikum ein derartiges Echo, dass ihnen der Ruf einer Sensation vorausging und konnten dank dieser Popularität selbständig an vielen Orten präsentiert werden.

Die Aufnahme der Münchner Kunst in Böhmen, Mähren und Schlesien verlief auf verschiedenen Ebenen, angefangen von der Ausbildung junger Künstler über die Reflexion in zeitgenössischen böhmischen Periodiken bis hin zu einer bilateralen Zusammenarbeit zwischen dem Münchner Kunstverein und dem Kunstverein für Böhmen (Krasoumná jednota), die zu einer gegenseitigen Vertretung von Künstlern auf den regelmäßigen Jahresausstellungen führte. Auf dieser Ausstellung gilt das Hauptaugenmerk der Malerei, der in München eine Vorrangstellung zukam, daneben der Zeichnung und (Gebrauchs)Grafik; mit zwei Werken ist auch die Bildhauerei vertreten. Die Eckdaten 1870 und 1918 markieren die Zeit von der berühmten Ära der Münchner Schule bis zum Ende des I. Weltkriegs, der die Karte der Staaten und natürlich auch der bisherigen Kulturzentren veränderte. Im genannten Zeitraum profilierten sich in der Bayernmetropole mehrere wichtige Kunstrichtungen: die Münchner Schule der religiösen und Historienmalerei, vertreten durch die überragende Pädagogenpersönlichkeit Carl Theodor von Piloty (zu dessen bedeutendsten Schülern der aus Prag gebürtige Gabriel von Max gehörte), wobei die Werke dieser Schule in die Kategorie der mit der Tätigkeit des Kunstvereins zusammenhängenden Salonkunst eingereiht werden; die Landschaftsmalerei, insbesondere aus dem Umkreis der Künstlerkolonie Dachau (eine der dortigen Führungspersönlichkeiten war der aus Olmütz gebürtige Adolf Hölzel), der Jugendstil und der über eine eigene Ausstellungs- und Publikationsplattform verfügende Verein der Münchner Secession mit einem breiten Tendenzspektrum vom Naturalismus über Impressionismus bis hin zum Symbolismus. Und schließlich die avantgardistischen Trends, die zum Expressionismus und Abstraktion der Gruppe Der Blaue Reiter führten. Ein erheblicher Anteil an der inneren Dynamik der Kunstmetropole kam den ausländischen Künstlern zu, die sich über kürzere oder längere Zeit in das örtliche Kunstgeschehen integrierten und ihm neue Impulse gaben. Neben den Ungarn und Polen stellten in München auch die Künstler aus den böhmischen Ländern eine der größten und wichtigsten Künstlerkommunitäten dar. Obwohl es sich da um ein bedeutendes Kulturaustausch-Phänomen auf länderübergreifender Ebene handelte, wurde der Bedeutung der einzelnen, in München wirkenden nationalen Künstlerkommunitäten um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert von der Forschung erst in jüngerer Zeit eine dezidierte Aufmerksamkeit gewidmet. Den Anlass dazu gab der 200. Jahrestag der Anfänge der Münchner Akademie im Jahr 2008. Was die Künstlerauswahl in dieser Ausstellung anbelangt, finden sich hier sowohl anerkannte Größen des Münchner Kunstlebens, z. B. Franz von Lenbach, Wilhelm Leibl, Franz von Stuck, bzw. die Avantgardisten aus der Gruppe Der Blaue Reiter, als auch Künstler aus den böhmischen Kronländern deutscher und tschechischer Muttersprache, die die Bayernmetropole als Ort ihrer künstlerischen Ausbildung erlebten. Einige ließen sich hier auf Dauer nieder und pflegten die Kontakte zwischen ihrer ursprünglichen und neuen Heimat, wie z. B. Gabriel von Max und Adolf Hölzel. Unter den Künstlern tschechischer Nationalität weilten und wirkten František Bohumil Doubek, František Ondrúšek, Ludvík Kuba und Jan Autengruber am längsten in Bayern. Die Ausstellung hat zwei Hauptabschnitte – einen synchronen, auf das Thema „Künstlerstadt“ abzielenden und einen diachronen, der die drei großen Etappen der Münchner Kunst umreißt.
                                                                                                      Aleš Filip a Roman Musil

PUBLIKATION
Zur Ausstellung geben die Westböhmische Galerie in Pilsen zusammen mit dem Verlag Bárta & Bárta eine gleichnamige deutsch-tschechische Publikation heraus, die ein Team tschechischer und deutscher Experte (Ute Strimmer, Caroline Sternberg, Markéta Theinhardtová,  Eva Bendová, Šárka Leubnerová, Veronika Hulíková, Gerhard Leistner, Sandra Uhrig, Roman Zieglgänsberger, Alena Pomajzlová, Tomáš Winter u.a.) unter der Leitung von Kunsthistorikern Aleš Filip (Masaryk-Universität Brünn) und Roman Musil (Direktor der Westböhmischen Galerie in Pilsen) vorbereitet hat.
Seitenanzahl: 243, Anzahl der Reproduktionen: 168.

Ausstellungskonzept: Aleš Filip, Roman Musil

Kuratorin: Ivana Jonáková

Grafische und architektonische Lösung: Jaroslav Bárta, Matěj Bárta

Sprachliche Redaktion der Texte: Kateřina Dejmalová (Deutsch), Klára Kuběnová (Tschechisch)

Übersetzung: Jürgen Ostmeyer (Deutsch), Karel Dolista, Magdalena Štulcová (Tschechisch)

Installation: Jan Jirka, Petr Kutek, Miroslav Tázler

Digitaldrucke: Milan Brát, Fotonova

Schneideplotter: Jakub Čermák

Begleitprogramm: Jiří Hlobil, Iveta Řežábková, Marcela Štýbrová

 

Die Werke für die Ausstellung liehen
Galerie Kodl, Praha; Galerie moderního umění v Hradci Králové; Galerie umění Karlovy Vary; Galerie výtvarného umění v Ostravě; Kunstforum Ostdeutsche Galerie Regensburg; Lawrence Steigrad Fine Arts, New York; Městské muzeum Antonína Sovy v Pacově; Moravská galerie v Brně; Museum Villa Stuck, München; Museum Wiesbaden; Muzeum umění Olomouc; Muzeum Velké Meziříčí; Múzeum vo Svätom Antone; Národní galerie v Praze; Oblastní galerie Liberec; Památník národního písemnictví, Praha; Polabské muzeum, Poděbrady; Schloßmuseum Murnau; Slovácké muzeum v Uherském Hradišti; Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau, München; Uměleckoprůmyslové museum v Praze; Valašské muzeum v přírodě v Rožnově pod Radhoštěm; Západočeská galerie v Plzni; Der Zweckverband Dachauer Galerien und Museen, Dachau; Židovské muzeum v Praze; Privatsammler.

Die Schirmherrschaft über die Ausstellung übernahmen der Kulturminister Daniel Herman, der Hauptmann der Region Pilsen Václav Šlajs und der Pilsner Oberbürgermeister Martin Zrzavecký.

Die Ausstellung wurde veranstaltet in Zusammenarbeit mit Národní galerie v Praze, der Städtischen Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau, München und dem Kunstforum Ostdeutsche Galerie Regensburg und mit finanzieller Unterstützung Společnost Plzeň 2015 o. p. s., der Region Pilsen, der Europäischen Union (Programm zur Förderung der grenzübergreifenden Zusammenarbeit Ziel 3 Freistaat Bayern – Tschechische Republik 2007–2013), des Deutsch-tschechischen Zukunftsfonds, der Statutarstadt Plzeň und Nadace 700 let města Plzně.