München – leuchtende Kunstmetropole

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickelte sich München zu einer der führenden europäischen Kunstmetropolen, besonders als die Malerei der Münchner Schule zu einem international anerkannten und geschätzten Phänomen wurde. München wurde von jungen Künstlern aus der ganzen Welt aufgesucht, darunter war auch die tschechische Kommunität stark vertreten. Künstler aus den böhmischen Ländern erhielten dort ihre Ausbildung, entweder an der Kunstakademie oder an privaten Kunstschulen. München stellte für sie eine Alternative zu der Pariser Schule, bzw. ihrer Vorstufe, dar, denn in Mitteleuropa setzte es sich gegen andere Orte mit künstlerischer Ausbildung durch, darunter Prag, Wien, Berlin und weitere. Nach dem Aufkommen der Sezession in den 90er Jahren des 19. Jahrhunderts transformierte sich das spezifische Konzept der Münchner Schule in ein pluralistisches Spektrum künstlerischer Tendenzen, für tschechische bildende Künstler war jedoch München bis zum Ende des „langen 19. Jahrhunderts“, bis zum Ende des 1. Weltkrieges, weiterhin außerordentlich attraktiv. Der Ausdruck „leuchtende Kunstmetropole“ ist der Novelle Gladius Dei von Thomas Mann aus dem Jahre 1902 entlehnt.

Das Projekt umfasst einen Zeitraum von 1870 bis 1918, also die Zeit der berühmten Ära der Münchner Schule bis zum Aufkommen der Avantgarde. Das Hauptaugenmerk wird auf die Malerei gerichtet, die in München eine herausragende Position einnahm, des Weiteren auf die Bildhauerei, Zeichnung und angewandte Grafik. München war nicht nur aufgrund der künstlerischen Ausbildungsmöglichkeiten ein Anziehungspunkt, sondern auch aufgrund der privilegierten Stellung der Kunst an sich, die bereits zur Zeit Königs Ludwigs I. ein wichtiger Bestandteil der politischen Repräsentation Bayerns war, ebenso wie aufgrund des außerordentlichen gesellschaftlichen Status der Künstler, von denen viele vom Königtum Bayern einen Adelstitel erhielten. Einige Bilder fanden derartigen Anklang, dass sie als sensationell bezeichnet wurden und dank ihrer Popularität unabhängig an weiteren Orten präsentiert werden konnten. Die Rezeption der Münchner Kunst in Böhmen und Mähren hatte unterschiedliche Ausprägungen, von der Schulung der jungen Künstler, über deren Reflektion in zeitgenössischen tschechischen Periodika, bis hin zur Zusammenarbeit zwischen dem Münchner und dem Prager Kunstverein (Krasoumná jednota), die dazu führte, dass Künstler beider Seiten auf den regelmäßig stattfindenden Jahresausstellungen vertreten waren.

In dem gegebenen Zeitraum profilierten sich in München einige Hauptströmungen der Kunst, die die meiste Aufmerksamkeit auf sich zogen: 1) die Münchner Schule der christlichen und Historienmalerei, repräsentiert durch die herausragende pädagogische Persönlichkeit von Karl Theodor von Piloty (zu seinen bekanntesten Schülern gehört der gebürtige Prager Gabriel von Max); 2) die Salonkunst, die in enger Verbindung mit der Tätigkeit des Kunstvereins steht, der einen Hauptteil der damaligen Produktionen herstellte (Einfluss von Wirtschafts- und Marktaspekten auf die Ausprägung der Salonkunst); 3) Landschaftsmalerei, besonders aus dem Umkreis der Künstlerkolonie in Dachau (einer ihrer Schlüsselfiguren war der gebürtige Olmützer Adolf Hoelzel); Jugendstil und die Vereinigung Münchner Sezession, die über eine eigene Ausstellungs- und Zeitschriftenplattform verfügte, mit einem weiten Spektrum künstlerischer Tendenzen vom Naturalismus, über den Impressionismus bis hin zum Symbolismus; 5) Avantgardetendenzen, die auf den Expressionismus und die Abstraktion der Gruppe Der blaue Reiter ausgerichtet waren.

Der Begriff der Kunstmetropole wird im engen Sinne oft nur als ein Ort der akademischen Ausbildung der Künstler verstanden. Im Rahmen unseres Projektes wollen wir jedoch auch weitere Aspekte dieses Begriffs berücksichtigen, so z.B.: das Vereins- und Ausstellungsleben, der Kunstmarkt, Publikationsplattformen, künstlerische Konzepte und Programme usw. An der inneren Dynamik der Kunstmetropole beteiligten sich ganz wesentlich ausländische Künstler, welche sich für kürzere oder längere Zeit ins künstlerische Geschehen integrierten und ihm neue Impulse gaben. Eine der zahlenmäßig stärksten und wichtigsten Kommunitäten in München bildeten die Künstler aus den böhmischen Ländern. Obwohl es sich um ein bedeutendes Phänomen künstlerischen Austauschs auf internationalem Niveau handelt, wurde ihm nicht genügend Aufmerksamkeit gewidmet. Eine Ausnahme ist die kürzlich in Prag erschienene Publikation „München Prag. Bildende Kunst zwischen Tradition und Moderne“ (Mnichov Praha. Výtvarné umění mezi tradicí a modernou, Praha 2012). Diese überschneidet sich jedoch nur teilweise mit dem Vorhaben unseres Projektes, das sich auch im Output in Form einer Ausstellung und eines Katalogs unterscheidet. An dem Projekt arbeitet ein Expertenteam unter der Leitung der Kunsthistoriker PhDr. Aleš Filip, Ph.D. (Masaryk Universität Brünn) und Mgr. Roman Musil (Direktor der Westböhmischen Galerie in Pilsen). Das Team setzt sich zusammen aus: Mag. Caroline Sternberg (Akademie der bildenden Künste in München), Doc. PhDr. Markéta Theinhardt, CSc. (Univesité Sorbonne Paris), Dr. Ute Strimmer (Kunstverlag Zeit München), PhDr. Eva Bendová, Ph.D. (Nationalgalerie in Prag), Dr. Gerhard Leistner (Kunstforum Ostdeutsche Galerie in Regensburg), Doc. PhDr. Alena Pomajzlová (Masaryk Universität Brünn), PhDr. Tomáš Winter, Ph.D. (Institut für Kunstgeschichte der Akademie der Wissenschaften der Tschechischen Republik in Prag) und weitere.

Partnerinstitutionen:
Národní galerie v Praze
Städtische Gallerie im Lenbachhaus in München

Museum Villa Stuck, München
Kunstforum Ostdeutsche Galerie Regensburg

Die Ausstellung wird durch vier Themenbereiche strukturiert:

1) München und Künstler
Vorstellung der Stadt und ihrer Bewohner durch Plakate, Zeichnungen, graphische Blätter und Malskizzen. Die Rolle des Künstlers und die Mission der Kunst. (Selbst)porträts von Künstlern, Bilder im Bild und andere Werke, die einzig die Kunst thematisieren.

2) Nachlass der Münchner Schule
Die Hauptgenres der Historienmalerei. Verschiebung von der Narration und erzählenden Komparsenszenen in Richtung einer psychologischen Intimität und dem Ästhetizismus.

3) Münchner Sezession und Fin de siècle
Vitalismus und Reformkräfte der modernen Kunst.

4) Expression und Avantgarde
Expressionistische Tendenzen und avantgardistische Vereinigungen der Münchner Künstler von Phalanx bis zum Blauen Reiter.

Liste der Münchner Autoren für die Ausstellung:

Karl Theodor von Piloty
Gabriel von Max
Franz von Lenbach
Ludwig von Loefftz
Wilhelm Leibl
Wilhelm Trübner
Wilhelm Grögler
Luma von Flesch Brunningen
Hugo von Habermann
Adolf Hölzel
Ludwig Dill
Karl Thiemann
Fritz von Uhde
Franz von Stuck
Lovis Corinth
Carl Strathmann
Thomas Theodor Heine
Otto Eckmann
Wasilly Kandinski
Paul Klee
Alexej Jawlenski
Gabriele Münter
Marianne von Werefkin

Insgesamt 23 Künstler.

Liste der tschechischen Autoren für die Ausstellung:

Jakub Schikaneder
Joža Uprka
Luděk Marold
Alfons Mucha
Václav Brožík
Emanuel Krescenc Liška
Lev Lerch
Emil Holárek
Augustin Němejc
Ludvík Kuba
Zdenka Vorlová-Vlčková
Emil Orlik
Viktor Stretti
Josef Mandl
Alfred Kubin
Hugo Steiner Prag
Jan Autengruber
Georges Kars
Eugen von Kahler
Willi Nowak
Max Horb
Jindřich Prucha
Alfred Justitz

Insgesamt 23 Künstler.