Los aufs Land! Die bildende Kunst und Volkskultur in Ländern der Böhmischen Krone 1800–1960

01/03/2019 bis 12/05/2019
Ausstellungssaal Masné krámy
Autor: 
Pavla Machalíková, Milan Pech, Tomáš Winter
Kurátor: 
Petr Jindra

Unter dem Begriff Volkskultur kann man sich eine relativ inhomogene Mischung verschiedener Formen und Werke vorstellen. Im Rahmen der Ausstellung wird zum ersten Mal ihr Bezug auf die bildende Kunst in den Ländern der Böhmischen Krone vom Anfang des 19. Jahrhunderts bis zur Hälfte des 20. Jahrhunderts dargestellt.

Im Mittelpunkt steht die Kultur der ländlichen Bevölkerung, die in der tschechischen Kunst eine bedeutendere Rolle spielte als die Volkskultur des städtischen Umfelds.
Seit Mitte des 19. Jahrhunderts wurde die Volkskunst zur fast offiziellen und universellen Leinwand. Die Individuen sowie Gruppen, Institutionen, und sogar der Staat projizierten in diese Kunst eigene politische, gesellschaftliche und kulturelle Ideale. Durch verschiedenste Manipulationen wurde sie zu verschiedenen Zwecken genutzt, oder sogar missbraucht. Die ersten massiven Versuche, die Volkskultur zu beleben, egal ob unter dem Vorwand der Beziehung zu „böhmisch-slawischen“ Idealen (in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts) oder zur „tschechoslowakischen“ Nationalidentität (in der Zeit der Ersten Republik), hatten ihre Grundlage in der ähnlichen fiktiven Vorstellung: die Gemeinschaft des ländlichen Volkes und der besondere Charakter der Volkskultur sei der Grundstein der neuzeitlichen Nation und ihrer gesuchten Kulturidentität. Mit der Volkskunst wurde da oft wie mit einem zweckmäßigen Konstrukt im Dienste der nationalistischen Verteidigung des Aufbaus der nationalen Gemeinschaft umgegangen.

Die Volkskunst diente als direkte Quelle eines bestimmten Typs des Schaffens, das allgemein mit dem Begriff „bildkünstlerischer Folklorismus“ bezeichnet wird. Seine konkreten Ausdrucksweisen hatten aber verschiedenste verhüllte Bedeutungen. Die Skala der bildkünstlerischen Herangehensweisen und Manipulationen mit den aus der Volkskunst und -kultur übernommenen Elementen reichte von der sehr einfachen Beobachtung, Illustrierung und dem Kommentieren der ländlichen Umwelt bis zur sehr durchdachten und subtilen Interpretation. Die oft genutzte Strategie, die von den Künstlern häufig eingesetzt wurde, war die Appropriation: Aneignen von Formen der Volkskunst mittels des Zitierens oder der Transformation zu neuen Absichten und im neuen Kontext.

Die Ausstellung behandelt die angedeutete Problematik durch thematische Blöcke, deren Zeitgrenzen sich überschneiden. Die Installierung, die die Bilder, Zeichnungen, Statuen, Fotografien und Filme umfasst, wird als eine dynamische Struktur von gegenseitig durchdringenden Schichten gestaltet. Das Ziel der Ausstellung ist nicht das Thema absolut auszuschöpfen, sondern seine aktuelle Resonanz festzuhalten. Neben den Werken von mehr oder wenig bekannten Künstlern des präsentierten Zeitraums (Josef und Quido Mánes, Václav Kroupa, Wenzel Berger, Jaroslav Čermák, Antoš Frolka, Jaroslav Augusta, Jožo Uprka, Josef Čapek, Zdeněk Rykr, Emil Filla, Jaroslav Vodrážka u. a.) beinhaltet die Ausstellung auch einige gegenwärtige Werke von Anna Hulačová, Jan Vytiska, Barbora Lungová, Lenka Klodová, Daniela Baráčková u. a., in denen ein Bezug auf die Volkskultur sichtbar ist.

Zu der Ausstellung wird eine ausführliche Publikation in Verlagen Artefactum und Arbor herausgegeben, die ein Projektergebnis des GA ČR Projekts „Volkskunst zwischen der visuellen Kultur und der Politik in Böhmen und Mähren: 1840–1960“ darstellt und deren Autoren Vladimír Czumalo, Pavla Machalíková, Milan Pech und Tomáš Winter sind.
Die Ausstellung wird zur Angelegenheit des 39. Pilsener Symposiums zur Problematik des 19. Jahrhunderts veranstaltet, dessen Thema diesmal die Entstehung des Volkes in der tschechischen Kultur des 19. Jahrhunderts ist.